Glassiegel

Dr. Jürgen Lewerenz

"Zur Bedeutung der Glasstempel/ Glassiegel in der Glasherstellung und die Verwendung(???) von Glassiegeln in den Kritzower Hütten im 17. Jahrhundert"

 

1. An Stelle einer Einführung

 

Zitiert nach Koch, S. 25

 

Ausschreiben der Königlichen Regierung, dass auf denen einländischen Glase- Hütten keine Wein- oder grüne Quartiers- Bouteillen gemacht werden sollen, welche nicht ein volles Maas eines Quartiers halten, vom 3. Februar 1718:

„Es ist vielfältig geklaget worden, und giebet auch die Erfahrung, dass nicht allein die von denen Korbmachern mit Geflecht beflochtene Bourgogne- und Champagne Wein Bouteillen, über alle Maße klein sein, sondern auch die ordinären grünen Quartiers- Bouteillen, worin Pontac, Eremitage und vergleichen Weine verkaufet werden, so klein und an denen Boden so weit eingebogen, dass sie oftmals mehr nicht als ¼ vom Quartier, ob sie gleich für ein volles Quartier verkauft werden, im Gehalt sein.

Weil man aber solchen offenbaren Betrug und Vervorteilung der Käufer nicht länger nachsehen kann; So will die Notdurft erfordern, dass die Verfügung auf denen einländische Glas- Hütten gemacht werde, dass keine andere Borgogne- und Champagne- Wein- Bouteillen, wie keine oder andere grüne Quartiers- Bouteillen verfertigt werden, als welche ein vollkommenes Quartier jetziger Land-Masse, oder zwei Pfund reines klares Brunnen- Wasser halten; Und sollen über dem die grünen Quartiers- Bouteillen auf denen Glas- Hütten am Boden nicht tiefer eingebogen werden, als dass sie fest stehen können, neben dem aber mit dem Zeichen eines Pferdes gezeichnet werden.

Begehren demnach an unser Allergnädigsten Königs, Chur- Fürsten und Herren statt; ihr wollet dem Glas- Meister und Gesellen, welche an der Glase- Hütten in ihrem Amt arbeiten, Bedeutung tun; dass sie sich darnach achten, und den 10. Thlr. Strafe, halb für den Denunzianten, keine dergleichen Bouteillen verfertigen, welche nicht ob gedachtes volles Maas eines Quartiers halten, auch keine grüne Quartiers- Bouteillen machen, an welchen sie das Zeichen eines Pferdes nicht gesetzt. Und habt ihr durch die Unter- Amts- Bediente von Zeit zu Zeit fleißig visitiren und nachsehen zu lassen, ob dieser Verordnung gelebet.“

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werde, die Übertreter derselben obgedachter massen zu bestraffen, und dem Denuncianten das Seine zu zuerkennen, die zu klein befundene Bouteillen aber alsofort zerbrechen zu lassen. Danach ihr euch zu achten. Und Wir u. Hannover den 3. Februar 1718

Königlich. GroßBritannische zur Churfürstl. Braunschw.

Lüneb. Regierung verordnete Geheimte- Rähte“

Anmerkung:

Kosler, S. 34: Vergleichsdarstellungen zum Quart im 17. Jahrhundert:

Hannoversches Quart= 0,97 l

Braunschweig= 0,94 l

Hamburger Quartier= 0,90 l

Berliner Quart (1722- 1816)= 1,17 l

Fazit:

Es sieht hiernach also so aus, als wenn der Betrug der Grund der Einführung von Glassiegeln war.

2. Was sind Glassiegel und wie wurde gesiegelt?

Wenn man nicht weiß, was man zu einem Thema sagen soll, schaut man heute erst mal bei Wikepedia nach und da steht:

Unter einer Glasmarke versteht man das Kennzeichen, das eine Glashütte auf einem Glasbehälter anbringt, damit sie als Hersteller identifiziert werden kann.

Diese Glasmarke befindet sich in der Regel am unteren Rand oder auf dem Boden jeder Flasche oder jedes Konservenglases.

Was lernen wir daraus:

Eine Glasmarke/ ein Glassiegel identifiziert den Hersteller und die Siegelung erfolgt „verdeckt“.

Das stimmt für die Gegenwart, aber nicht für die Vergangenheit.

Was die „verdeckte“ Siegelung betrifft ist das wohl eher ein technisches Detail, weil man das mit der Industrieproduktion so in die Glasherstellung gleich integrieren konnte. Davor musste das Siegel per Hand angebracht werden, es war relativ voluminös, hätte zum einen die Standfestigkeit am Boden beeinträchtigt, war aber zum anderen ein notwendiges sichtbares Zeichen und am seitlich am Glaskörper auch einfacher anzubringen.

Rainer Kosler bezeichnet in seinem Buch „Flasche, Bottle und Bouteille“ Schleswig- Holstein als „Hochburg europäischer Siegelpraxis“.

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Er erwähnt auf Seite 120 eine erste Siegelnotiz 1604 aus Belgien, Amandt Colinet nennt in seinem Tagebuch, das in seiner Hütte in Macquenoise 800 Siegelflaschen produziert wurden. Dazu gibt es aber keinen Fund.

Der älteste Beleg ist eine englische Siegelflasche des 1651 verstorbenen Ralph Wormeley- Siegel mit WE 1650 im Museum of London. Die englischen Siegel waren überwiegend Besitzsiegel mit Namen, Initialen und Wappen.

Gesiegelt wurde aber schon im 4. Jahrtausend v. Chr. in Mesopotamien, damals auf Ton später aber auch schon auf Glas, wie Kruse auf Seite 8 beschreibt.

Definitionen- Glassiegel

􀂾 Jens Koch, S. 7:

Glassiegel, also Markierungen von gläsernen Flaschen in Form einer oder mehrerer Glasmarken mit hoheitlicher Symbolik, wie z.B. Herrschermonogrammen, werden häufig als der Versorgung des jeweiligen Hofhaushaltes zugedachte Flaschen gedeutet. (Bezug zu Poser und Kruse)

􀂾 K.H. Poser, S. 8:

Glassiegel sind von Glasmachern auf Hohlgläser gesetzte, mittels Stempel geprägte Glasposten

Praxis des Siegelns- Wie wurde gesiegelt?

K.H. Poser (S. 8 f.) schreibt dazu: Folie 3

Gesiegelt wurde während der Fabrikation, damit der zähflüssige Glasposten auf der heißen Wandung des in Arbeit befindlichen Glases haften blieb. Der Druck des Prägens hat einen mehr oder weniger großen Buckel auf der Innenseite der hohlen Wandung hinterlassen. Ein reichlich bemessener Glasposten ergab einen ordentlichen Wulstrand rund um die Stempelfläche, ein zu knapper Glasposten ein unvollständig geprägtes Siegel.

Siegel saßen auf der Schulter oder am Bauch alter Flaschen, ausnahmsweise auch auf der Wandung anderer Hohlgläser, etwa am Kelch oder Knauf eines Trinkglases. Zur Sammlung des Verfassers gehören nur lose Siegel, also Siegel von Flaschen, die bereits bei der Herstellung auf der Glashütte oder danach während des Gebrauchs zu Bruch gegangen sind. Der mit einem Siegel fest verbundene Rest der Flaschenwandung erhöht die Stabilität, so dass viele Siegel der landwirtschaftlichen Bearbeitung auf den Feldern, den Standorten damaliger Glashütten, komplett widerstanden haben. Hingegen sind Siegel ohne zusätzliche Wandung, die zur Probe auf einer planen Unterlage wie dem Marbelstein geprägt worden sind, meistens nur als

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Bruchstücke überkommen. Diese Probesiegel (auch Probepetschaft genannt) sind aber der sicherste Nachweis für die Produktion vor Ort auf der Glashütte. Dieser Hinweis von Poser ist wichtig, auch in Bezug auf die Kritzower Siegel!!!

3. Siegeln gegen Betrug: Nur die halbe Wahrheit!

Jens Koch (S. 8) zitiert ein im Jahr 1721 verfasstes sogenanntes „Betrugs- Lexicon“ des Coburger Juristen Georg Paul Höhn (1662- 1747) verschafft einen Einblick in die gängigen Betrugspraktiken der Bierwirte seiner Zeit:

Bier- Wirte betrügen...( ausführlich bei Lohberg s. 156 ff.)

4.Wenn Sie ein kleiner Gemäß haben, als landbräulich ist.

5. Wenn sie bey Anfang ihres Bierschenkens sich grösser Gemäß anschaffen, als Landesgebrauch mit sich bringet, um dadurch mehr Gäste an sich zu ziehen, und ihren Nächsten die Nahrung abzuschneiden, hernach aber, da diese ein wenig gewohnt, das grosse Gemäß wieder beiseite thun.

6. Wenn sie zwar rechtes Gemäß führen, aber beim Einlassen mit dem Bier einen grossen Gäscht machen, und so gleich unter dem Schein eines vollen Masses in des Käuffers Gefäß eingiessen, dass dieser, wenn der Gäscht vergehet, dennoch zu kurz komme....“

In betrügerischer Absicht zu klein gefertigte Kannen oder Flaschen sorgten immer wieder für Beschwerden. Durchgesetzt wurde die Eichungsproblematik erst im 19. Jahrhundert; bis dahin „wachte“ der jeweilige Landesregent über landesübliche Maße.

Im späten 18. Jahrhundert gab es in Deutschland ca. 1.800 Zollgrenzen und dementsprechende landesübliche Maße, also trotz der Regelungen ein Wirrwarr durch und durch.

Betrug war ein Grund des Siegeln. Wer aufmerksam zugehört hat, konnte auch feststellen dass beide Zitate dazu aus dem 18. Jahrhundert stammten. Siegel gab es aber schon vorher, auch die Kritzower Siegel und demzufolge gab es sicher auch noch andere Gründe der Glassiegelung. Kruse und Kosler gehen auf diese Gründe näher ein und nennen u.a:

besitzanzeigende Siegel (Das ist meins und ich habe etwas Besonderes !!)

  • Herstellermarken
  • Siegel der Hüttenbesitzer
  • Siegel der Glasmeister
  •  Siegel der Auftraggeber (z.B. „königliche Monogramme“) 

 

 

 

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  • Siegel von Handelsherren (Auftragsmarken)
  • Siegel der Grundherrn
  • Siegel der Landesherren
  • Gesetzlich festgelegte Siegel (hannoversche Pferd)

 

 

 

Diese Aufzählung ist sicher nicht vollständig und sichtbar ist auch, dass sich das manchmal nicht scharf trennen lässt bzw. dass auch 2 Ebenen der Zuordnung möglich sind.

Deutlich werden sollte damit aber, dass es viele Gründe des Siegelns gab und der Betrug nicht am Anfang oder im Mittelpunkt stand.

Nach Rainer Kosler (S. 175 f. und in Bezug auf Ralf Wendt) ist für Mecklenburg (hier Mecklenburg- Strelitz) das Siegeln wegen der Maßhaltigkeit per Verordnung erst 1767 archivarisch belegbar. Die Verordnung betraf Potts- und Kannsbouteillen von 0,9057 bzw. 1,85 Liter (2 Pott= 1 Kanne). Geregelt wurde das in einem Dekret des Herzogs Adolf Friedrich vom 11. März 1767.

4. Glassiegel in Holstein und Mecklenburg

Bekanntlich wanderten ab dem 17. Jahrhundert holsteinische Glasmacher wohl überwiegend nach Mecklenburg, weil sie hier eine gute Rohstoffbasis für die Weiterführung ihrer Handwerkskunst fanden.

Christian Humbsch stellt in dem Zusammenhang fest, dass es in der Folgezeit hier einen katastrophalen Bruch in der Stempelscheidekunst gab. Die Stempel wurden auch kleiner, Auftragsmarken geringer und Prägungen der Hüttenherren, Vizemeister oder Grundherren nahmen anteilig zu.

In einen zeitlichen Rahmen eingeordnet nennt Humbsch für Mecklenburg u.a.

  • „frühe Prägungen vor 1730 und bis um 1750“ (9 Angaben von Stempeln)
  •  Prägungen um 1750 (19 Angaben von Stempeln)
  •  Prägungen für Mecklenburg- Strelitz 1767- 1839 (14 Angaben von Stempeln).

 

 

Dabei zitiert Kruse (S. 23) mehrere Veröffentlichungen von Wendt mit denen er feststellt, „dass das Siegeln von Flaschen in Mecklenburg- Schwerin ungebräuchlich war. Archivalische Hinweise gibt es nur für die Goddiner Glashütte (1737) und für die Retzower Glashütte (1838). Wendt nimmt an, dass das weitgehend für den Export bestimmte Glas ungestempelt leichter absetzbar sei, ein Argument, das im Hinblick auf die holsteinische Produktion meiner Ansicht nach in Frage zu stellen ist. Wendt sagt auch: „Hin und wieder würden auf mecklenburgischen Hüttenplätzen Glasstempel gefunden, deren Entschlüsselung große Schwierigkeiten bereitet.“

 

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Das können wir auch 30 Jahre später voll unterstreichen. Das ist immer noch so.

Mit gesiegeltem Hohlglas können wir auch nicht dienen; insofern gilt zunächst das hier Zitierte.

Aber: Die Probleme mit der Entschlüsselung könnten auch ein Hinweis darauf sein, dass diese Siegel nur regional verwendet wurden, denn an anderen (überregionalen Siegeln) haben wir die Entschlüsselung.

Wir bewegen uns mit den Kritzower Hütten und dortigen Funden im Zeitraum der frühen Stempel und wir können Humbsch heute auch aber auch etwas präzisieren.

Wir haben im Fundbereich Kritzow 8 Stempel, also fast so viel wie Humbsch insgesamt für Mecklenburg an frühen Stempeln benannt hat.

Wenn das an anderen Standorten auch so ist, könnte die Frage nach dem katastrophalen Bruch im Stempeln neu gestellt werden.

Wenn wir der Theorie von Wendt aber folgen (ungestempeltes Glas in Mecklenburg), bleiben die Fragen unbeantwortet, woher die Stempel kommen und ob oder wie sie verwendet wurden.

Da bei den Siegeln aus Kritzow auch zwei Probepetschaften dabei sind (ich erinnere an Poser mit dem Hinweis auf Verwendung), wird die Bewertung der Funde noch unsicherer. Ich will versuchen, diese Unsicherheiten noch etwas zu vergrößern, vielleicht aber auch etwas aufzuklären.

5. Die Kritzower Glassiegel

Von den Standorten der Kritzower Hütten liegen uns folgende Glasmarken vor:

Da die Kritzower Hütten vollständig noch vor dem Zeitraum der von Humbsch angegebenen „frühen Prägungen“ liegen, kann man zu 2 Schlussfolgerungen kommen:

1. Der „katastrophale Bruch“ war noch nicht vollzogen. Es gibt noch vergleichsweise viel Marken. Dagegen spricht aber, dass bei einer Gesamtproduktionsdauer von 54 Jahren und der damit verbundenen Tatsache, dass man hier eines der großen deutschen Glaszentren im 17. Jahrhundert hatte, doch insgesamt nur wenig Funde vorliegen.

2. Die Waldglasmassenproduktion in Kritzow, konnten bisherigen Qualitätsansprüchen auf Dauer nicht mehr gerecht werden. Sie

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war ein Billigangebot und wurde deshalb dann zunehmend auch nicht mehr gesiegelt.

Glassiegel 1: Das JF- Siegel; das J:F:- Siegel und ähnliche Stempel

Man könnte mit den uns dazu bekannten Siegeln und entsprechenden Interpretationen auch die These aufstellen: Die Nutzung holsteinischer Siegel verbesserte den Absatz mecklenburgischer Glasartikel. Blicken wir mit dieser These einmal auf die Funde:

Dieses Siegel ist eine Probepetschaft (seitlicher Abbruch, aber auf Rückseite glatt und kein Abbruch). Nach Poser deutet das also stark darauf hin, dass es auf der Hütte verwendet wurde. Gefunden wurde das Siegel 1976 von Herrn Krienke aus Raben Steinfeld am Standort Glaser Moor, also auf dem wahrscheinlichen Hüttenstandort 2 und 3 mit der Produktionsdauer bis 1707. Das Siegel hat einen Durchmesser von ca. 4,7 cm mit einem starken Außenwulst von 0,4 bis a cm Breite.

Ich hatte zu diesem Siegel 2007 im Glasfreund Nr. 25/26 geschrieben. Es gab aber in der Folge von den Fachleuten keinerlei Hinweise auf mögliche Urheber bzw. Verbindungen zu anderen Regionen.

Jetzt möchte ich hier selbst einige Vermutungen anstellen:

Wir haben bei Recherchen im Heimatmuseum Goldberg zwei Siegel mit einer ähnlicher Schreibweise gefunden.

a) „J-Doppelpunkt F- Doppelpunkt“

Das Siegel wurde 1971 von Botho Zick zwischen Hahnenhorst und Karow gefunden und ist ca. 3,4 x 2,4 cm groß. Es ist keine Probepetschaft. Die Karower Hütte 1 arbeitete von 1735 bis 1800.

J.F. könnte demnach für Johann Friedrich Adam Gundlach stehen (1736- 1808), der allerdings nicht in Karow, sondern u.a. in Boitzenburg bei Feldberg als Glasmacher ausgewiesen ist (ca. 40 km Luftlinie).

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b) Das JCG- Siegel

Poser nennt die Siegel; „JCG Glasmeister“.

Es ist ein Flaschensiegel mit runder Stempelfläche von 38 mm Durchmesser und stammt nach Poser von der Glashütte Kühren ca. 1715- 1720 (Anmerkung: Kühren liegt unweit von Plön)

Es zeigt die Initialen JCG für Glasmeister Jost Cnuth Gundelach, gefasst von 2 unten gebundenen Zweigen,

Dazu schreibt Poser:

Glasmeister Jost Cnuth Gundelach kam um 1703 von der Glashütte Wendorf in Mecklenburg (Anmerkung: Wendorf bei Crivitz, wo z.B. ab 1709 auch Hans Heinrich Gundlach Hüttenmeister ist) nach Holstein . Er war u.a. 1720 auf der Lindauer Hütte im Gut Ascheberg bei Plön tätig. Die Zuordnung erscheint also sehr wahrscheinlich.

c) Das „JFG“- Siegel wurde 1983 von U.Schoknecht auf der Feldmark Priborn im Kreis Röbel gefunden und ist ca. 4,5 x 3,9 cm groß.

Nach Wendt war dort keine Glashütte. (vgl. Glasfreund Heft 7/1996)

Hier ist eine „Buchstabenbeziehung“ zu Johann Friedrich Adam Gundelach möglich.

Um 1731 war ein Jürgen Friedrich Gundlach auf der Hütte Weisdin (nördlich Neustrelitz) Glasmacher und zwischen Röbel und Weisdin liegen 40 km.

Auffällig ist, dass das JF und das JFG- Siegel größer sind und eher holsteinischen Maßen entsprechen, während JCG und J:F: eher kleine Siegel sind.

Das Fazit:

Die Schreibweise der Buchstaben auf allen 4 Stempeln ist sehr ähnlich.

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Darüber hinaus stehen 4 Buchstabenkombinationen, die auf Gundlach hinwiesen könnten.

Mehrere Gundlachs waren zu der Zeit auf Mecklenburger Hütten tätig.

Eine direkte Verbindung des Kritzower „JF“ lässt sich aber nicht herstellen. Man kann bestenfalls vermuten, dass es sich um eine Auftragsarbeit handelt.

Nicht anfreunden kann ich mich mit der immer wieder angeführten These über die Verwendung von Glasbruch als Erklärungsversuch. Wenn wir von Massenproduktion und Billigproduktion im Mecklenburg des 17. Jahrhunderts ausgehen, wäre die Verwendung von externem Glasbruch (Aufbewahrung, Transport, ansteigende Verunreinigung) meiner Ansicht nach ein nicht akzeptabler Kostenfaktor.

Glassiegel 2: Das PL- Siegel

Das PL- Siegel ist eine „Neu- oder Wiederentdeckung“. Wir haben es auch bei Recherchen zu einer Waldglasausstellung im Heimatmuseums Goldberg gefunden.

Der Stempel wurde bei einer Flurbegehung von E.Nagel aus Schwerin 1976 auf einem leider nicht näher bezeichneten Hüttenplatz bei Kritzow gefunden. Er war vollständig mit einer Verwitterungsschicht überzogen und ist ca. 3,6 x 3,5 cm groß. Das Siegel hat eine deutliche Abbruchstelle auf der Rückseite.

Zuordnen können wir es derzeit noch überhaupt nicht. Erste Rückfragen bei Fachleuten anlässlich des Glassammlertreffens in Annenwalde ergaben noch keinerlei Hinweise.

Die Größe des Siegels weist eher auf ein späteres Siegel hin.

Glassiegel 3: Springender Hund

 

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Das sogenannte „Rantzau Bossee groß“ beschreibt Poser als „Flaschensiegel, runde Stempelfäche von 48 mm Durchmesser, Glashütten Bossee BSA ca. 1660- 1670 und BSG um 1672“

(Anmerkung: BSA und BSG kennzeichnen beide Glashütten des Gutes Bossee bei Kiel)

Als weitere Fundorte nennt er Schwerin, Holland, Schweden und Belgien

Allerdings ist mir dieses Siegel so noch nicht begegnet. Vielleicht kann uns Herr Weihberg noch Aufklärung geben. Ansonsten könnte man auch auf einen Irrtum von Poser in Zusammenhang mit sitzendem und springendem Hund schließen.

Glassiegel 4: Sitzender Hund oder ELVH Siegel

Dazu gibt es wohl die meisten Fundstücke in Kritzow. Und auch hier zunächst die Erläuterungen von Humbsch dazu:

Dieses Exemplar bietet die seltene Ergänzungsmöglichkeit zu bisheriger Forschungsarbeit. Es ist als holsteinisches Exemplar bekannt. (Anmerkung: Bezug zu Dr. Kruse, S. 107)

Fundort: Hütte Kritzow. Die Probemarkung gibt den verlässlichen Hinweis, dass im vorliegenden Fall eine von Holstein nach Mecklenburg auswandernde Glasmacherfamilie die Petschaft mitnahm und am neuen Hüttenort weiterhin verwendete.“

Diese Vermutung von Humbsch kann man gut teilen, denn wenn es eine renommierte Glasmacherfamilie war, konnte sie mit dem alten Siegel auch in die alten Absatzgebiete besser verkaufen.

Poser nennt dieses Siegel das „ELHV“- Siegel mit 47 mm Durchmesser und Fundorten u.a. bei den Glashütten am Bungsberg (ca. 1670- 1705) und bei Schwerin (1705- 20), aber auch in Dänemark, Belgien oder England.

Gerd Weiberg hat sie am Glaser Moor gefunden, was dann zeitlich auch (1682- 1707) mit den Fundorten in Holstein übereinstimmt. Die Zeitangeben von Poser können sich auch noch auf eine andere Hütte beziehen.

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15.11.2009/10

Zu den Initialen schreibt Poser:

Die Initialen ELHV sind bisher nicht endgültig entschlüsselt. Für die Verwendung des Siegels als Markenzeichen einer Einzelperson, etwa eines Glashändlers, sprechen die vielen Hütten- und sonstigen Standorte.

Sollte das Siegel einem Glasmeister nebst Vizemeister zuzuweisen sein, sind die Initialen EL für Engelhard Lippert und VH für Valentin Hoff – unter Vorbehalt- zu deuten.

Auf einer Glashütte bei Leezen, südlich von Segeberg werden 1674- 76 Hans, Barthold und Engel Libhart (Lippert) als Taufpaten genannt, wohl Angehörige des Hamburger Glashändlers Heinrich Liphart. Letzterer verpflichtete bereits 1650 seinen Vetter Jürgen Kunckel von der Depenauer Glashütte, eine Glashütte in Dänemark zu führen, um billiger als in Holstein, Mecklenburg und Preußen produzieren zu können. Valentin Hoff , dem Siegel nach Lipperts Kompagnon, war von 1668- 81, ab 1676 als Vizemeister auf einer Glashütte bei Segeberg tätig, danach betreib er eine Glashütte im adligen Gut Seedorf (Gutsbesitzer war Hans von Blome) und siegelte seine Flaschen mit eigenem Meistersiegel. Im Jahr 1689 ist Hoff nach Mecklenburg verzogen......Weitere Siegelfunde, in der Sammlung ... ein Bruchstück einer Probeprägung von den Glashütten Kritzow (1692- 1707)...weisen auf Aktivitäten eines Glasmeisters oder Händlers im Mecklenburgischen hin. Auch wird das Wappen mit der mecklenburgischen Adelsfamilie von Hund in Verbindung gebracht.

Anmerkung:

Poser nennt zwei unterschiedliche Zeiträume für Schwerin- einmal 1705-1720 und einmal 1692- 1707. Die Abwanderung von Hoff im Jahr 1689 nach Mecklenburg wäre in dem Zusammenhang eher ein Indiz für Hütte III, also Fundort Glaser Moor.

Glassiegel 5: Ahlefeld Siegel

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15.11.2009/11

Poser nennt dieses Siegel „Ahlefeld 1699 Wappen“.

Es ist ein Flaschensiegel mit runder Stempelfäche von 41 mm Durchmesser. Es wird von Poser den Glashütten Rethwisch und Kletkamp (Ostholstein ca. 1699- 1705) und „danach Glashütte bei Schwerin“ zugeordnet.

Das Siegel zeigt das Stammwappen der adeligen Familie von Ahlefeld. In Posers Exemplar lautet die Umschrift F.MARGARETa HEDEWIG VON AHLEFELd (2 x G, a, N und d seitenverkehrt). Unter dem Schild steht ANNO 1699, wobei N und 99 seitenverkehrt sind.

Unser Fragment ist deckungsgleich zu diesem Exemplar.

Poser vermutet, dass Frau von Ahlefeld (Mutter- 1640- 1703 und Tochter 1673- 1749) gesiegelte Bouteillen in Auftrag gaben.

Poser vermutet, dass die Bouteillen auf den Hütten Rumohr (bis 1699) und Rethwisch bzw. Gut Kletkamp (bis 1703) von Vertretern der Gundelach Sippe hergestellt wurden.

Zu weiteren Aufklärung der „Wanderwege“ dieses Siegels nach Mecklenburg hat uns Poser nach einem Artikel im Glasfreund Informationen zukommen lassen, mit denen er darauf hinweist, dass das Siegel wohl von Auftraggeber selbst nach Mecklenburg gebracht wurde.

Er schreibt:

Wahrscheinlich sind Leuenburg/ Ahlefeld nach dem Verkauf von Schierensee (Februar 1704) nach Mecklenburg gezogen, denn dort gehörten Christian von Leuenburg (Löwenburg), der aus einer von Schweden nach Mecklenburg eingewanderten Familie stammte, die Güter Rischau und Reinstorff (heute Reinstorf; 12 km südlich von Wismar).“

Diese Erklärung scheint dann auch wieder im Zusammenhang mit der Produktionszeit der 3. Hütte am Glaser Moor (bis 1707) stimmig.

 

15.11.2009/12

Glassiegel 6: Das BK- Siegel

Das Siegel gehört zur Sammlung von Gerd Weihberg.

Humbsch schreibt dazu:

Die außergewöhnliche Größe (innen 38 mm; außen 56 mm) entspricht den Exemplaren der aus Holstein eingewanderten Glasmachersippen.“

Hyphotetisch könnte man hinter „B“- Bülow, also den Grundbesitzer vermuten und das „K“ könnte für Kauffeldt oder Kohrtz, den Hüttenmeistern der 3. Hütte vermuten. Das würde, wenn ich richtig informiert bin, auch mit dem Fundort (Glaser Moor) übereinstimmen.

Glassiegel 7: Das VB BB- Siegel

 

15.11.2009/13

Das Siegel gehört auch zur Sammlung Gerd Weihberg, ist aber erheblich kleiner als das BK- Siegel (innen- 27 mm und außen 47 mm), mitteloliv und soll nach Humbsch von um 1730 stammen.

Auch dazu wieder Humbsch: „Die Marke fällt aus den Rahmen des Gewohnten heraus. Ihre Bedeutung erschließt sich aber leicht bei Berücksichtigung damaliger ansichten im Gefolge des Okultismus. Drei Kreuze machen bzw. an der hölzernen Stallwand drei Kreuze einschneiden, sollte Dämonen (Teufel und Hexen) von der Ausübung ihrer Künste abhalten. In diesem Sinne ließen sich die Initialen wie folgt entschlüsseln: Der Gutsherr machte mit den Initialen innerhalb der drei Kreuze den Abwehrzauber deutlich. Mögliche Deutung VB= von Bülow; BB Vor- und Zuname.“

Ganz erschließt sich mir das so nicht: Nach der Deutung von Humbsch (um 1730) ginge es dann um die Hütte IV, nahe der Grenzscheide zu Müsselmow.

Frage an Gerd Weihberg: Ist das der Fundort??- nein Nähe Schwerin

Hütte IV (ab 1726) wurde mit Alexander Adolf v. Bülow als Gutsherr vereinbart. Das wäre mit der Buchstabenkombination(BB) für den Vor- und Nachnamen dann nicht identisch.

Glassiegel 8: Das LS- Siegel

Humbsch beschreibt auch diese Marke mit dem Fundort „Glashütte Kritzow“.

Er kennzeichnet sie als hellolive Auftragsmarke mit einem Innendurchmesser von 27 mm und gleichmäßig korrodierter Oberfläche

Andere Erkenntnisse oder Informationen zu diesem Siegel haben wir nicht.

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15.11.2009/14

Was bleibt als Fazit:

Es gibt mehr Siegel als bisher vermutet und es steht demnach die Frage:

Ist die These von Wendt und Kruse zum katastrophalen Bruch in der Flaschensiegelung mit dem Umzug der Glasmacher nach Mecklenburg noch zu halten?“

Ich sage: „Nein bzw. die Antwort muss zumindest modifiziert werden.“

Nein, weil:

Wir haben 7 Funde von nur einem Standort, von denen 2 Probepetschaften sind. Im Museum Goldberg liegen auch ca. 60 Siegel aus M- V vor.

Modifizieren, weil:

Die meisten Goldberger Siegel stammen aus der Zeit die Humbsch als späte Prägungen (nach 1767) einstuft. Insofern kann das auch ein „Wiederaufleben“ sein. Das deckt sich auch mit einem aktuellen Fund (von Raven Flasche- siehe letzte Nummer Glasfreund).

Ja, weil:

Es fehlen nach wie vor tatsächlich gesiegelte Flaschen.

Zum Abschluss noch einmal ein Rückgriff zum 1. Vortrag:

Noch ein Beispiel geschliffener Sprache aus einem anderen Bereich. Vielleicht auch als Gegenstück zu den anstrengenden Ausführungen.

Die meisten von Ihnen kennen diesen jungen Mann, der hier (wohl formuliert) um Verzeihung für sein ausschweifendes Leben bittet

Man könnte auch sagen:

 

Ein Lehrbeispiel, wie man Väter um den Finger wickeln kann.

 

Raten sie mal, wer so gekonnt , neudeutsch würde man wohl sagen, „rumschleimen“ konnte.

 

Teuerster Vater!

Fern sei es von mir, meine Fehler durch Entschuldigung zu beschönigen, doppelt fern, sie durch Leugnen zu vergrößern. Nein! Frei will ich sie gestehen und hierdurch sie Deinen Augen weniger verhasst machen; denn früh schon lehret Ihr beiden teuren Freunde und Leiter meiner Jugend mich die 'Wahrheit lieben, und ein freiwilliges Geständnis wie eine halbe Verzeihung ansehen. Nur einen von Euch, und das bist Du, geliebter Vater, kann meine Besserung und mein stärkerer und freudiger Wille hier auf Erden die Tage erheitern und Rosen auf den dornigen Pfad zum Grabe streuen. Aber auch unsere gute Mutter wird mit lächelndem Anlitz auf die bessere Aufführung hinabschauen, die jetzt ihr einziger Sohn seinem betrübten Vater gelobet. Die alte Konrektorin (Schulz, seine Pensionsmutter) hat sich in dieser Zeit recht freundschaftlich gezeigt, weshalb ich auch ihr eine Zeichnung, die ich eben erst beendete, zu ihrer großen Freude schenkte, welches Du, mein Vater, mir wohl nicht übel nehmen wirst, da ich es zuerst für Dich bestimmte. Sie wird heute Dir auch schreiben, auch der Konrektor Bossart sagte, dass er Dir schreiben wolle. Noch einmal, lieber Vater, verzeihe Deinem ???????????????????

 

Fritz Reuter Sämtliche Werke, Vollständige Ausgabe in 18 Teilen, Herausgegeben von Dr. Carl Friedrich Müller, Leipzig 1904, erster Teil, S.27f.

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15.11.2009/15

Ausgewählte Literatur zu Glassiegeln

1. Friese, Gerrit und Karin: Brandenburgische Glasmarkenserien mit Krone über großen Antiqua- Buchstaben um 1800. In: GLAS- historische Notizen, Heft 3/1989.

2. Henkes, H.E. und G.H.Stam: Glaszegels uit Nederlandse bodems. Westerheem, Heft 39/ 1990.

3. Hoffmann, Verena und Heiko Schäfer: Gemarkte Flaschen aus den Altstadtgrabungen in Stralsund, Greifswald, Strasburg und Pasewalk. In: Festschrift für Ralf Wendt zum 65. Geburtstag, Schwerin 2001.

4. Hucke, Karl: Gesiegelte Flaschen- eine Eigenart Holsteinischer Glashütten. In: Die Lade, Plön 1967.

5. Humbsch, Kristian: Glasmarken der beiden Grossherzogtuemer Mecklenburg- Schwerin und Mecklenburg- Strelitz. Neustrelitz 2001.

6. Koch, Jens: Glassiegel mit königlichen Monogramen. Hoheitszeichen englischer und hannoverscher Gebrauchsflaschen. Ismaning 1995.

7. Kosler: Flasche, Bottle, Bouteille.

Ismaning 1998.

8. Kruse, Dr. Hans- Joachim: Holsteinische Glassiegel. In. Plöner Glasforschungen, Heft 1/ 1992.

9. Schulze, Eberhard: Glasfreund,

Nr. 3/1994.

10. Poser, Karl- Heinz: Siegel von Holsteinischen Flaschen 1640- 1750. Neumünster 2004.

11. Poser, Karl- Heinz: Ein Holsteiner Glassiegel von 1663. In. GLAS- historische Notizen, Heft 1/1989.

12. Poser, Karl- Heinz: Siegel mit Zahl und Krone. In. GLAS- historische Notizen, Heft 2/1989.

13. Poser, Karl- Heinz: Flasche und Siegel des Holsteiner Glasmachers Iohan Cvnckel. In. GLAS- historische Notizen, Heft 3/1989.

14. Poser, Karl- Heinz: Neuere Siegelfunde. In. GLAS- historische Notizen, Heft 7/1990.

15. Poser, Karl- Heinz: Holsteinische Siegel von Flaschen für den holländischen Markt. In. GLAS- historische Notizen, Heft 9/1991.

16. Poser, Karl- Heinz: Zwei gesiegelte Trinkgläser. In. GLAS- historische Notizen, Heft 10/1992.

17. Poser, Karl- Heinz: Veränderungen an Siegelstempeln. In: Der Glasfreund, Heft 7/ 1996.

18. Poser, Karl- Heinz: Auf und im Glas verewigt. In: Der Glasfreund,

Heft 15/ 2000.

19. Poser, Karl- Heinz: Beerennuppensiegel. In: Der Glasfreund,

Heft 18/ 2002.

Mecklenburger Waldglasmuseum e.V.

 

15.11.2009 16