Hüttenvertrag

Vortrag von Dr. Jürgen Lewerenz

 

„Die Kritzower Glashütten im Spiegel verschiedener Veröffentlichungen“

das habe ich über meinen Vortrag geschrieben, aber bevor ich dazu komme lassen Sie mich in der Einleitung etwas weiter ausholen.

 

Und das würde ich auch gern mit einer Veröffentlichung aus dem Jahr 1926 machen, also einer Veröffentlichung die auch schon fast 100 Jahre zurückliegt. Warum dieser Schlenker: Ich glaube, dass das sehr anschaulich macht, welche Rolle Glas 1926 im alltäglichen Leben spielte. Daran hat sich, so glaube ich,

nichts Grundsätzliches geändert. Und wenn etwas alltäglich ist, nimmt man es kaum noch wahr. Würde man Glas heute erfinden, würde man wohl von einer „world changing Innovation“ sprechen. C.J. Stahl konnte das in seinem Buch: „Vom Sandkorn zum Kristallgefäß“ noch deutsch, damit aber nicht weniger eindrucksvoll ausdrücken.

 

Er schrieb:

Im Kampf um den Fortbestand des Menschengeschlechtes fällt einzelnen Stoffen aus dem Schoße der Natur von jeher eine besondere Bedeutung zu, ohne dass wir uns dessen eigentlich so recht bewusst wären, weil wir mit diesen Stoffen allmählich und in so ausgedehntem Maße vertraut wurden, dass wir die Fülle und Wichtigkeit ihrer Dienste nicht mehr so recht überblicken können. Eine bedeutende Rolle spielt unter diesen Stoffen das Glas. Wo ständen wir mit unserer Kultur und unserem Wohlbefinden, wenn wir kein

Glas hätten!? Mit einem Schlag fiele unser Dasein zurück in Schatten und Dunkelheit- aufzufassen im eigentlichen wie im übertragenden Sinne- ja, ohne Glas wären wir vielleicht überhaupt nicht auf die Stufe der Entwicklung gekommen, auf der wir heute stehen. Wohl haben sich die Menschen, die Stein –und Eisenwaffe in der Hand, gegen Angriffe der Artgenossen und anderer Lebewesen gewehrt. Ganz wertlos ist diese Waffe aber im Vernichtungskampf, den die Menschheit mit einem viel stärkeren und unsichtbaren Feind, den

Bakterien und den Mikroorganismen, zu führen hat. Die Hauptkampfwaffe ist da doch das Glas, mit dem wir sie entdeckten, mit dem wir sie beobachten und mit dem wir wirksamen Abwehrmitteln auf die Spur kommen. Das Glas schützt uns vor den Unbilden der Witterung und lässt doch zugleich Licht und Sonne die Bahn frei. Aus gläsernen Gefäßen trinken wir, der Durstige sein Labetrank, der Kranke die bittere Arznei, der Fröhliche den perlenden Wein und den Champagner. In Glas gefasst bergen wir Speisen und Getränke

auf lange Zeit. Glasmasse wandeln wir zu hervorragenden Kunstgebilden. Überall begegnen wir dem Glas in anderer Gestalt: Kristall in den Zierschränken, Spiegel an den Wänden, Beleuchtungskörper (sprich Glühlampen, die gerade in einer Umfrage in Deutschland als wichtigste Erfindung genannt wurden und die ohne Glas nicht möglich gewesen wären d.A.) , Glaseinlagen an Möbeln, Kunstverglasungen an Türen und Fenstern, ganze Geschäftshausfronten aus Glas, Glaspaläste, Auto an Auto mit gläsernen Fenstern und gläserner Schutzwand, Straßenbahnen, Eisenbahnen, Kuppeln mit herrlicher Wölbung, gotische, farbenprächtige Kirchenfenster mir herrlichen Malereien. Glas, Stein und Eisen sind neben dem Holz die meist genützten Werkstoffe unseres Zeitalters und der vielseitigste ist, das Glas; trotzdem es erst seit

verhältnismäßig kurzer Zeit in vollem Umfang auf dem Plan erschienen ist. Man kann sagen, dass sich die Glastechnik der neuesten Zeit mit einer Schnelligkeit und in einem Maße entwickelt hat, die man anderweitig kaum erkennt. Wir haben Glasmassen als Werkstoff anstelle von Stein, Eisen und Holz in einer Form und in einer Ausdehnung, die der Allgemeinheit eigentlich nur wenig bekannt sind. Dass wir Mauersteine und Dachziegel aus Glasmasse anfertigen, kann wohl dem, der offenen Auges um sich zu blicken gewohnt ist, kaum entgehen. Dass aber „im Lande der unbegrenzten Möglichkeiten“ schwere Eisenbahnzüge über die mit gläsernen Schwellen unterlegten Schienen rollen, dass man neuerdings sogar die schweren Mühlsteine aus Glasmasse anfertigt, dass man schwere Maschinenteile aus gehärteter Glasmasse statt aus Eisen gießt, dass man große Behälter, Badewannen, Wassertröge und dgl. aus Glas anfertigt, ist wohl nur dem bekannt, der durch einen Zufall Derartiges selber zu sehen bekam. Welch weites Gebiet der Nutzbarkeit der Glasmasse liegt doch zwischen dem gläsernen Stecknadelkopf und dem Mühlstein aus Glas! Leisten Glas und Glasmasse dem werktätigen Leben, der Industrie und Technik, in schrankenloser Ausdehnung ihre Dienste, so trifft dies in weit höherem Grade bei Kunst und Wissenschaft zu. Beide könnten unmöglich auf ihrer derzeitigen Höhe sein, wenn wir das Glas nicht hätten. Man kann sich eigentlich die Arbeiten der Physiker und Chemiker ohne seine Instrumente aus Glas nicht denken. Die Dienste, die das Glas der Wissenschaft leistet, sind so hervorragend, dass ohne sie unser Wissen geradezu klägliches Stückwerk sein müsste. Wie wäre es uns ohne das Glas, ohne die optische Linse, überhaupt möglich, in die dem bloßen Auge verborgenen Vorgänge des Daseins um uns einzudringen? Wer oder was, wenn nicht die Glaslinse, könnte dem Forscher Geheimnisse erschließen, zu deren Klärung die Sehkraft des schärfsten Auges nicht im entferntesten ausreicht? Das Wort Mikroskop sagt hier alles. Und die Glaslinse im Fernrohr bahnt uns den Weg hinauf zu den Gestirnen, deren Lauf wir folgen, bahnt uns den Weg in ferne Welten. Mit der Glaslinse als

photographisches Objektiv bannen wir den flüchtigen Moment auf die lichtempfindliche Glasplatte oder auf das rasende Filmband, und dank der Kraft der Glaslinse entstehen diese Bilder in vielfacher Vergrößerung im

Lichtbild oder im Filmhaus wieder lebendig vor unseren Augen. Und wenn das schwache Auge Mühe hat, Schritt und Druck zu entziffern, wenn die Sehkraft nicht mehr ausreicht, dann begrüßen wir mit Freuden die Wohltaten des feingeschliffenen und in feinsten Abstufungen gelieferten Glases. Wir saugen Licht und Glanz aus dem Äther durch das Glas, wir halten aber auch wieder atmosphärische Einflüsse durch das Glas uns fern. Unser Dasein bewegt sich so unter den Segnungen des Glases, dass wir ohne sie vielfach bar der

köstlichen Genüsse wären. Nicht grundlos hat danach das Empfinden der Volksseele das Glas in einer Parallele gerückt mit dem, was wir als das Wünschenswerteste, als das Endziel unseres Daseins zu erlangen trachten:  mit dem Glück. Glück und Glas......

 

Muss dem etwas angemerkt werden???

Grundsätzlich wohl nicht, auch wenn die Kunststoffindustrie (z. B. bei Brillen) manches verändert hat.

Oder vielleicht doch, weil die Rohstoffe für Kunststoffe (vor allem Erdöl) wohl eher vergänglich und damit zunehmend teurer sind, als die Rohstoffe Quarzsand, Soda und Kalk für Glas. Aber, der Vollständigkeit halber angeführt und in Ergänzung des ersten Satzes mit dem „Kampf um den Fortbestand des Menschengeschlechts“. Glas ist auch wie alle anderen Stoffe im Kampf gegen den Fortbestand des

Menschengeschlechts eingesetzt worden. Wenn sie mal das Stichwort „Glasmine 43“ in eine Suchmaschine eingeben, können sie das nach verfolgen. Und das nicht nur, weil Metall knapp wurde, sondern auch deshalb, weil man Glas mit Röntgen strahlen im menschlichen Körper nicht sichtbar machen kann.

 

Worüber will ich heute referieren???

 

  1. Wann und wie kamen Glashütten nach Mecklenburg?
  2. Kritzow - ein deutsches Glaszentrum?
  3. Wer waren die Glashüttner in Kritzow?
  4. Waldglas: Kunst oder Handwerk oder Industrie?

 

 

 

Und, wie schon im Titel angekündigt, weniger auf der Basis eigener Untersuchungen sondern mehr auf der Basis von Veröffentlichungen unterschiedlicher Autoren. 

 

1. Wann und wie kamen Glashütten nach Mecklenburg? 

 

Ulrich Graf von Oeynhausen hat im Band 70 der Jahrbücher des Vereins für mecklenburgische Geschichte und Alterthumskunde im Jahr 1905 zu Glashütten im Mecklenburg geschrieben. Darin verweist er auf erste

urkundliche Erwähnungen von Ortsbezeichnungen im Zusammenhang mit Glas (speziell im Zusammenhang mit dem Doberaner Kloster 1268 und der Erwähnung des Ortes Glashagen 1273. Er schlussfolgert draus das

Vorhandensein von „Glasfabriken“ – man achte auf die Formulierung- auch durch den Bedarf der Klöster. Ähnliche Erwähnungen findet er auch für Rostock und Wismar im 13. und 14. Jahrhundert. (vgl. Oeynhausen S. 267 f.). Hinweise für andere Regionen in Mecklenburg gibt es aus dieser Zeit und für

die folgenden Jahrhunderte nicht. Oeynhausen nennt dafür als Ursachen (S. 269: „ Zeiten und Verhältnisse waren der Entwicklung einer Industrie – man achte wieder auf die Formulierung- auf dem flachen Lande, deren Betrieb ein ungestörter sein muss, da er viel Kapital erfordert, wenig günstig. Die Eichen- und Buchenwälder konnten der Mast wegen nicht entbehrt werden, im übrigen gibt es nicht viel Holtz, denn das Land ist damals noch mit Ortschaften dicht besetzt, deren Insassen schonungslos mit den vorhandenen

Holzbeständen umgehen, und durch die Gepflogenheit, das abgeholzte Areal als Weideland auszunutzen, wird der Nachwuchs niedergehalten, teilweise völlig vernichtet.“ Das erscheint zunächst etwas abwegig, kennen wir doch alle, Mecklenburg als sehr dünn besiedelten Landstrich. Ich werde aber gleich an einem Beispiel noch darstellen, dass vor dem 30 - jährigen Krieg die Besiedlung nicht so dünn war.

 

Einen Aspekt berücksichtigt Oeynhausen meiner Ansicht bei seinen Betrachtungen aber zu wenig und das ist die Frage des Absatzes. Neben dem Klerus war es vor allem das aufstrebende Städtebürgertum, waren es die

Kaufleute, die Glasbedarf hatte und diesen auch bezahlen konnte. Das erklärt auch, warum z. B. in Hessen und Nordwestdeutschland Glashütten schon früher erblühten, denn dort waren städtische Regionen konzentrierter. Mecklenburg wurde erst dann als Standort interessant, als die Rohstoffbasis in anderen Regionen schrumpfte. Diesen Aspekt nennen auch Karl Theodor Nestle und Paul Emer in ihrem Buch

„Geschichte der Weinflasche“ (1977) S.8 als wichtigen Grund:

 

„Die Umstellung des Glases auf einheimische Rohstoffe zwang die glasherstellenden Betriebe zum Aufsuchen waldreicher Gebiete, wobei aber nur in bestimmten Waldgebieten eine mit Erfolg arbeitende Hütte aufgebaut werden konnte. Dies war nämlich dort der Fall, wo neben dem reichlich als

Heizmaterial erforderlichen Holz auch eine zur Glasschmelze geeignete Asche anfiel. Da, die einheimischen Rohstoffe, deren chemische Zusammensetzung damals noch unbekannt war, eine ungenügende Reinheit aufwiesen, ist es nicht verwunderlich, dass das in den mittelalterlichen Waldhütten erzeugte Gebrauchsglas, stets grünliche oder bräunliche Farbtöne aufwies. Außerdem war das Glas in den meisten Fällen schlecht durchgeschmolzen und voll mit Steinen und Knoten.“

Damit wurde Mecklenburg als Produktionsstandort auch für die Hansestädte Hamburg und Lübeck interessant. Nach Oeynhausen bricht die Blütezeit für die Glasindustrie in Mecklenburg im

17. Jahrhundert an. Er schreibt dazu (S. 269 ): „Sie scheint vom Westen her ins Land gekommen zu

sein. Dort, im benachbarten Lauenburg zu Hollenbeck, Stintenburg und Schönwalde finden sich vereinzelte Spuren eines Glashüttenbetriebes im 16. Jahrhundert. Vielleicht datiert die Glashütte zu Granzin bei Boizenburg, welche Jahrbuch 41, S. 173 erwähnt wird, auch schon aus dieser Zeit, da ihre spätere

Existenz nicht nachweisbar ist.“ Allerdings setzt Oeynhausen die Blütezeit mehr in die zweite Hälfte des 17.

Jahrhunderts und begründet es damit (S. 269): „Dann mehren sich in den dem dreißigjährigen Kriege vorausgehenden Jahren die Glashütten im Lande; während des Krieges fristet natürlich auch dieses

Gewerbe ein kümmerliches Dasein. Aber nach seiner Beendigung werden die Glashütten wieder zahlreicher und schießen schließlich um Ende des 17. und bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts wie Pilze aus der Erde.

Das bestätigt auch Renate Dolz (1965) in ihrem Buch „Glas von den Anfängen bis zur Glaskunst der 50 - ziger Jahre“, indem sie schreibt: Im 17. Jahrhundert litten auch die Waldglashütten unter den Auswirkungen des

Dreißigjährigen Krieges. Neue Hüttengründungen in den Fürstentümern, die bisher zu ihren Absatzgebieten zählten, beschränkten zusätzlich den durch Händler betriebenen Verkauf. Die Erkenntnis, dass durch den immensen Holzbedarf die großen Waldgebiete Europas verwüstet wurden, führte im 17. Jahrhundert zum Übergang auf Steinkohlefeuerung. Damit wurden die Glasmacher sesshaft, blieben aber für die Pottasche Gewinnung auch in Zukunft auf die Wälder angewiesen. Vor allem in Böhmen und in den benachbarten Waldgebieten Schlesiens, Thüringens und Bayerns entwickelte sich eine Glasindustrie, die noch heute

bekannt ist.“ Interessant an dieser Feststellung ist, wie auch bei vielen anderen Veröffentlichungen und Untersuchungen, dass Mecklenburg nicht als entwickelter Glasherstellungsstandort genannt wird. So finden wir auch bei C. J. Stahl die Formulierung (S. 17): „Erst im 15. Jahrhundert vermögen wir wieder eine rege Entwicklung der deutschen Glasindustrie festzustellen und damit zugleich auch die Tatsache, dass sie sich

so ziemlich über ganz Deutschland verbreitet hat, wenigstens über die Gegenden, in denen sich reichlich Nährboden befand, also richtiges Brennmaterial und geeigneter Sand. Dem gemäß finden sich die Glashütten bis hinein ins 19. Jahrhundert nur in waldreichen Gegenden: Spessart, Schwarzwald, Thüringen, Schlesien, ...“

 

Das können wir, glaube ich, nicht so stehen lassen.

 

Es ist der Verdienst von Ralf Wendt, der mit seinen Untersuchungen in den siebziger Jahren letzen Jahrhunderts, deutlich gemacht hat, dass Mecklenburg im 17. und 18. Jahrhundert ein bedeutender Standort zur Glasherstellung war So schreibt er in seiner Veröffentlichung „Glashütten in Mecklenburg.

Darstellung eines Gewerbezweiges“. 1977 S. 9 „1615 erfolgte die erste und eindeutige Erwähnung einer mecklenburgischen Glashütte für das Gut Bantin in der Nähe zur Grenze nach Schleswig- Holstein.

Glashüttenbesitzer war Daniel Gundlach. In der Folgezeit legen die Gundlachs eine Reihe weiterer Glashütten an, so in Bentin um 1620 und gemeinsam mit Jobst Gundlach 1622 eine in Gammelin, wo trotz der schweren Kriegsjahre noch 1641 die Glashütte existiert und erneut Buchenholz für den Hüttenbetrieb angekauft wird. 1633 legt Hüttenmeister Kunckel eine Glashütte in Kummin an; 1642 kommt es in Drönnewitz zur Anlage einer Glashütte durch die Hüttenmeister Kauffeld und Seitz und 1641 durch Andreas Hoff in Söllnitz. 1642

legen die Hüttenmeister Wenzel und Seitz eine Hütte in Boddin an und 1645 Valentin Wenzel eine in Dümmer.“ Hier werden schon 9 Hütten in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts erwähnt und Reinhard Dudlitz recherchiert allein für den jetzigen Landkreis Parchim im 17. wie auch im 18 Jahrhundert jeweils 19 Hütten. In der genannten Schrift (S. 30) erwähnt Wendt auch die erste nachweisliche Hütte in Mecklenburg, nämlich die Kritzower Hütte von 1615. Dieses tut er im Zusammenhang mit der Erwähnung von wichtigen Hüttenerzeugnissen in Mecklenburg, wie Fensterglas, Trink- und Weingläsern und zahlreichen anderen Gläsern.

 

Darauf komme ich später noch einmal zurück...

 

Folgerichtig kommt Dr. Johannes Gothe in der Schrift: Zur Mecklenburgischen Glaserzeugung- Die Hütten Kritzow und Müsselmow im 17. und 18. Jahrhundert. In : Mecklenburger Jahrbücher 1996, S. 213 ff . zu der

Schlussfolgerung:

„Seit dem Anfang des 17. Jahrhunderts entwickelte sich Mecklenburg zunächst zögernd und nach 1700 rasch zu einem Zentrum deutscher Glasproduktion“. Das ist eine ganz wichtige Erkenntnis, die leider durch den Niedergang der Glasherstellung im Übergang zur Industrieproduktion in Vergessenheit geraten ist!!!!

 

Mecklenburg: Ein Zentrum der Glasherstellung!!

 

Ich sehe aber auch noch einen anderen Grund, warum Mecklenburg nie so als Zentrum gesehen wurde. Darauf werde ich noch unter Punkt 4 eingehen. Welche Rolle spielten die Kritzower Glashütten in diesem Zentrum deutscher Glasproduktion??

 

2. Kritzow- ein deutsches Glaszentrum?

 

Der Hüttencontrat von 1615 ist das erste nachweisliche Dokument zur Waldglasherstellung in Mecklenburg. Kritzow kann demnach die Wiege des Waldglases in Mecklenburg bezeichnet werden!

 

Wenn man dann noch einmal einen Satz von Gothe aufgreift, nämlich: „Seit dem Anfang des 17. Jahrhunderts entwickelte sich Mecklenburg zunächst zögernd und nach 1700 rasch zu einem Zentrum deutscher Glasproduktion“.

Dann kann man für das Glaszentrum Kritzow diesen Satz präzisieren und feststellen:

 

„ Kritzow war bereits im 17. Jahrhundert ein deutsches Glaszentrum“.

 

Weil (nach Gothe S. 213 ff. ): Im 17. Jahrhundert hatten die Kritzower Hütten 51 Produktionsjahre und

insgesamt bis 1738 waren es 70 Produktionsjahre. 

 

Gothe schreibt zur ersten Kritzower Hütte:

„Zu den ersten sicheren Nachrichten über die profane (...gemeint ist wohl die einfache....) Glaserzeugung in Mecklenburg gehören die Kritzower Verträge vom 7. Januar und 11. Februar 1615.1 Dietrich von Bülow versprach dem Glasmeister Frantz Kunckel neben dem Verkauf von Holz aus seinen Gutsländereien auch die Anfuhr des für die Errichtung einer Glashütte erforderlichen Baumaterials. Der Meister sollte später sogar über die Hütte frei verfügen dürfen, ein großzügiges und keinesfalls übliches Angebot. Für Kunckel trat jedoch der Hüttenmeister Elias Wentzel aus Lüneburg an. Beide entstammten bekannten Glasmachersippen. Der herzogliche Hüttenkonsens erfolgte im November 1615. Die Holzvorräte reichten etwa zwei Jahrzehnte lang. Schließlich wurde vom benachbarten Gut Müsselmow Holz zugekauft. Vermutlich endete der Hüttenbetrieb um 1635 mit der kriegerischen Eskalation im Land.“ 

Hier sind wir auf ein Problem gestoßen, das wir noch nicht diskutieren konnten, da es uns trotz intensiver Bemühungen nicht gelungen ist, Kontakt zu Dr. Johannnes Gothe zu bekommen. Wir wären also jedem dankbar, der uns einen solchen Kontakt herstellen könnte. Oder einer der Anwesenden kann uns

weiterhelfen. Gothe schreibt „Vertrag vom 7. Januar“. Wir haben im Landeshauptarchiv recherchiert und uns die Unterlagen dazu angesehen. Zwar sind sie (mangels ausreichender Schriftkenntnis) noch nicht abschließend „übersetzt“, aber wir gehen davon aus, dass das richtige Datum 9. Januar 1615 ist. Noch einmal zurück zum Ende des Hüttenbetriebes um 1635 in Folge der kriegerischen Eskalation im Land. Unter Punkt 1 wie die Glasherstellung nach Mecklenburg kam, hatte ich darauf schon Bezug genommen. So wie Wendt und Gothe verweisen auch Herbert Moths und Reinhard Braasch in ihrer Veröffentlichung: Die Waldglasfunde vom Hüttenplatz Müsselmow oder Glasarbeiten der Meisterklasse aus Mecklenburg. In: Mitteilungen der

NGM, 3. Jhg., Heft 1 vom 1. Juni 2003 darauf und schreiben: „Die Blütezeit der mecklenburgischen Waldglasherstellung beginnt erst nach dem 30- jährigen Krieg (1618- 1648).“ Ich kann das nur noch einmal unterstreichen, weil: Es gab keinen Markt, aber auch keine Produzenten. Unterlegen möchte ich das mit einem Beispiel: Im 6. Jahrgang der Mecklenburger Jahrbücher von 1841 (S. 132 ff.) hat der

Archivar Groth eine Übersicht der Bevölkerung des platten Landes im 30- jährigen Krieg dargestellt.

Danach sah beispielsweise die Bevölkerungsstruktur in der Region Ivenack/ Wredenhagen/ Plau so aus:

 

Struktur              vor 1618          nach 1649   

Bauern                  564                   84

 

Kossaten              160                   13

Handwerker         -                        2

Sonstige                -                        72

Gesamt                 724                   171

 

Die Bevölkerung war also um ca. 75% geschrumpft.

 

Anmerkung:

Kossaten sind die mittelalterlichen Kleinbauern in mecklenburgischen Dörfern. Sie entstammen anfangs meist der slawischen Bevölkerung, später nehmen jedoch auch immer mehr deutsche Bewohner Kossatenstellen ein. Ihre Besitzverhältnisse sind recht unterschiedlich und reichen von der Bewirtschaftung einer achtel bis zu einer halben Hufe. Der Begriff leitet sich von der Bezeichnung "die im Katen saßen" her.

Erst im März 1659 wurde wieder der Bau einer Glashütte beantragt, jetzt von den Besitzern der Güter Kritzow (damals Dietrich von Bülow- Lewerenz) und Müsselmow gemeinsam.

 

Gothe zitiert dazu aus den Lehnakten: „...als dass wir eine Glasehütte in unser angrenzenden Müßelmow und Critzowschen Holtzung anlegen möchten, womit es die Beschaffenheit hat, dass sie

1. von den Gütern ziemlich entlegen,

2. fast unfruchtbar sein,

3. dahero wenig genossen werden können und...

4. dem schönen darunter stehenden jüngeren Holtz den Wachsthumb gantz benehmen....

„ In Auftrag gegebene forstwirtschaftliche Gutachten haben zum Ergebnis , „dass auf der Gräntzscheide viel älter, dürrer, unfruchtbarer und Pollsauer bäume stehen....“

 

Die für zehn Hüttenjahre (1 Hüttenjahr= 36- 45 Wochen) beantragte Genehmigung blieb zunächst aus. Erst 1662 wurde diese Hütte auf Kritzower Grund errichtet. Glasmeister war Hans Grundlach aus einem weit verzweigten Glasmachergeschlecht. Die Hüttenzeit wurde verlängert. Doch verweigerte der Kritzower Gutsherr weitere Holzverkäufe, als Gundlach die Pacht nicht zahlen konnte. Vom Gut Müsselmow zugekauftes Ellernholz reichte nur „...auf ein oder zum höchsten 2 Jahr zu des Glasemeisters Notdurft...“ Um 1675 wird das Feuer in der Kritzower Glashütte II erloschen sein. Sieben Jahre danach, am 7. Dezember 1682 stellte der Kritzower Gutsherr (jetzt Adolf von Bülow) beim Herzog (damalsChristian Ludwig- ) den Antrag, „...die vor etlichen Jahren angelegte, aber wegen nicht erfolgter Zahlung der Pension des damaligen Hüttenmeister Hans Gundelachen, wiederumb niedergelegte und cassierte Glashütte wieder aufzurichten...“ Um Schulden tilgen zu können, wie er hinzufügte Bereits am 26. September 1682 hatte von Bülow mit dem Glasmeister Hinrich von Kauffeldt zwölf Hüttenjahre vertraglich vereinbart. Indes waren in dem im Januar des folgenden Jahres erteilten Konsens nur 9 vorgesehen. Auch konnte der Hüttenbetrieb erst ein Jahrzehnt später aufgenommen werden. Fortan wechselten die Meister rasch, vornehmlich Mitglieder der KauffeldtFamilie.

 

Beschäftigt wurden in dieser Hütte jeweils zwei Hohlbläser, Aufbläser, Strecker, und Wirker (Schmelzer) sowie der Schürer (Heizer) und sein Gehilfe (Pfleger) Hinzu kamen neun Holzhauer sowie ein Kistenmacher, Aschefahrer, Kuhhirt, Schneider und Lehrer. Insgesamt lebten in der Hüttensiedlung 67 Einwohner.

Woran wir erkennen, dass Hüttendörfer durchaus keine kleinen und unbedeutenden wirtschaftlichen und sozialen Einheiten waren. Im Jahr 1707 endete der Betrieb der Kritzower Hütte III. In die zurückgelassenen Katen zogen Dorfarme, Leineweber und ein Schäfer. Das Holz für die letzten zwei Jahre hatte Joachim Kohrtz, Glasmeister von 1703- 1705, vom Gut Müsselmow gekauft; ein „Ohrt Büchen= Hester= Holz“ sollte

zugunsten der Ackerfläche gerodet werden. Fast zwei Jahrzehnte danach, am 24. August 1726, wurde in Kritzow der Vertrag für die IV. Hütte geschlossen. Der Gutsherr (jetzt Alexander Adolf von Bülow) hoffte, mit dem Holzverkauf, der Hüttenpacht, besonderen Gebühren und Abgaben (Fensterglas für das eigene Gutshaus) den wachsenden Schulden begegnen zu können. Vertragspartnerin war „Frau Ambtmännin

Müllerin zu großen Rensow“. Vereinbart wurde, „das auf dem Critzower Felde befindliche Büchen= und anderes weiches Holz. mittels einer auf dem Critzauer oder nahe dabey belegenen Müßerlmower Felde anzulegenden Glaß= Hütte, hauen und verbrennen zu lassen“. 

 

Unterschrieben ist der Vertrag von H. Müller in Vollmacht seiner Mutter, Anna Hardern Müllern.

Zwischenbemerkung für die weniger mit Waldglas vertrauten Zuhörer: 

 

Profanens Fensterglas gibt es heute. Damals war Fensterglas etwas besonders Wertvolles, auch deshalb, weil man zu seiner Herstellung 5 Arbeitsgänge benötigte (Zylinder aufblasen, vorn anschneiden, hinten abschneiden, längs aufschneiden, glatt walzen)– für ein einfaches Trinkglasglas nur einen Arbeitsgang.

Die Hüttenzeit sollte acht Jahre mit jeweils 42 Hüttenwochen währen. Doch durfte der Betrieb, „wann gleich kein Holz mehr da ist....zu Verbrauchung des von benachbarten Felde angekauften Holzes ...liegen bleiben“. Gemeint waren wieder Müsselmower Holzvorräte. Mitten in der Laufzeit eines zweiten, gleichfalls für acht Jahre geschlossenen Vertrages kam es zwischen dem Sohn Johann Detleff Müller und einer inzwischen über das Gut Kritzow gestellten Vormundschaft zu der Übereinkunft, „die aus dem Critzower Holtz erbaute Glaß=Hütte nebß 10 Wohn Häuser, worin die Hütten Gesellen sind, da wegzunehmen, und nach

Müßelmau... zu transportieren“. Der folgende Müsselmower Hüttenvertrag vom 8. Februar 1738 wurde für

Betriebsjahre geschlossen. Müller sollte jährlich 50 Tlr. Zinsen aus einer Hypothek erhalten, die er im überschuldeten Gut stehen hatte. Alles Holz war frei, und falls die Holzvorräte erschöpft wären, stand die Zahlung von 50 Rtlr. Pro Hüttenwoche aus. Der gerodete Boden durfte dann über die vereinbarte Brennzeit hinaus genutzt werden. Den Überlegungen seiner Mutter folgend, die Hütte eventuell bereits 1726 auf Müsselmower Gutsland zu errichten, hatte der Sohn als Gläubiger in dieser Weise sich eine gewisse Sicherheit verschaffen wollen. Überraschend starb er jedoch, seine Forderung sollte noch jahrzehntelang offen bleiben.

 

Im August 1747 schrieb die Erbengemeinschaft an den Herzog, dass die „Glaß=Hütte zu Müsselmow nicht einmahl biß Trinitatis 1748 (Trinitas ist das Dreifaltigkeitsfest am 1. Sonntag nach Pfingsten) contractmäßig dauert, sondern dem entgegen in wenig Tagen ausgeht, mithin zu Erlangung des benötigten Holzes für die außerdem noch unserm seligen Vater verschriebenen 50 Hütten=Wochen gar keine Hoffnung vorhanden seyn wird“. Auseinandersetzungen zwischen Guts- und Hüttenarbeitern um das erst halbwegs gerodete Land folgten. Gothe schreibt zu den Hüttenstandorten in Kritzow: Die genannten Glashütten lassen sich zum Teil sicher lokalisieren. Eine Kritzower Glasbrandstelle befindet sich zentral in dem bei Holzverkäufen genauer bezeichneten Winkel, den Warnow und Müsselmower Grenzscheide bilden. Nahe Flurstücke tragen die Bezeichnungen wie „Gleser mohr“ und „Alt Hütten= Schlag“. Die vergleichsweise große Scherbenmenge läßt auf lange Hüttenzeiten schließen. Dort werden nacheinander die Hütten II und III gestanden haben, für

die derselbe Standort archivalisch verbürgt ist. Die Hütte IV Kritzow stand nach ihrer Umsetzung jenseits der Grenzschiede auf einer etwa 10 mal 15 m großen Hügelplattform. Das Bruchstück eines Handmühlensteins, in nächster Nähe der Hütte gefunden, verweist auf die zugehörige Siedlung. Eine Karte von 1767 zeigt

einige auf den Hüttenbetrieb weisende Flurnamen wie „Hütter Mohr“ und „Glaser Horn“ sowie ein „Die Hüt“ bezeichnetes Vorwerk, das gleich nach der Stilllegung der Hütte auf der gerodeten fläche entstanden sein dürfte. Wiederum Gothe: Anhand dieser Befunde gelang es, auch den Standort der Hütte Kritzow IV vor der Umsetzung zu ermitteln. Zunächst fand sich, wiederum nahe der Grenzscheide, ein wie in Müsselmow isoliert gelegener, zum Brennen genutzter Hügel. Diesen hatte man aus Brandschutzgründen zusätzlich mit

Wall und Graben umgeben, somit die in einer Senke gelegene Hüttensiedlung sich direkt anschloß, nachweisbar durch Keramikscherben. Wegen der Brandgefahr lag dieser Brennplatz wie alle anderen hier behandelten Hüttenstandorte in unmittelbarer Nähe eines wasserführenden Solls. Auf dem offensichtlich weitgehend und gestörten Hüttenhügel wurden der gleiche Sandstein, die gleiche mit Sand gemischte Fritte sowie die zugehörige helle Scherbe gefunden, wie am Hüttenstandort Müsselmow, wohin die Hütte

umgesetzt worden war.

 

3. Wer waren nun die Glashüttner in Kritzow?

 

Oeynhausen S. 284 ff. : „ Unter den Glashüttenbesitzern zeichnen sich einzelne Familien durch die Anzahl der von ihnen betriebenen Hütten aus. Das ist eine unbestrittene Tatsache, die deutschlandweit gilt. Einen sehr guten Einblick dazu gibt Klaus Kunze in seinem Buch : Glasmacher- Sippenbuch Werra-Weser- Bergland, vom Beginn der frühen Neuzeit bis zum Beginn der Industrialisierung um 1820. Uslar 2000:

S. 34: Die Wanderung hessischer Glasmacher über Holstein nach Mecklenburg fand in oder vor dem Dreißigjährigen Krieg statt und konnte durch hiesige Archivalien nicht näher erforscht werden. Um Forschungsansätze zu bewahren, wurden frühe Mecklenburger Daten (17. Jh.) in diese Sammlung

aufgenommen. Im Kreis Parchim gab es Waldglashütten 1615, Kummin 1633-1640, Leppin 1651 und viele andere. Zwischen Wittenburg und Schwerin sind um 1650 Glasmachernamen aus den eng Zusammenliegenden Orten Boddin, Parum, Perlin und Dümmerhütte dokumentiert. 

 

Und dann schreibt er zu den Familien:

S. 212: Kauffeld, Hans (1648 geheiratet) in Dümmerhütte; 2. Kind Heinrichgeboren am 15.02.1651 in Parum. Das könnte also der spätere Glasmeister (ab 1682) in Kritzow gewesen sein.

 

Und zwei Beipiele zu den einzelnen Familien:

S. 129 ff. Gundelach „Vorzeige- Glasmacher“ überhaupt, ca. 230 Eintragungen bei Kunze ab 1406

S. 129 Wentzel ab 1406 ca. 100 Eintragungen

 

Folgen wir der Tabelle mit den Kritzower Hütten, so ist es zunächst die Familie Kunckel (mit Frantz, und u.a. auch mit Jürgen und Markus, letztere um 1630 in Kummin tätig werden). Die Familie stammt aus Holstein und einem dort weit verbreiteten Glasmachergeschlecht. Der berühmteste von Ihnen ist wohl der

Glasmacher und Chemiker (früher nannte man ihn wohl Alchimist) Johannes Kunckel, der 1679 sein Buch über die „ars vitaria experimentalis“ schreibt. Dieses Buch gilt als das Standardwerk der Glasherstellung., In der wissenschaftlichen Abhandlung greift er europäische Erfahrungen auf und bewertet sie und er fügt eigene Erfahrungen hinzu. 

 

Oeynhausen schreibt dazu (S. 285):

Zunächst sind es die Gundlachs, welche wahrscheinlich aus Mitteldeutschland im ersten Viertel des 17. Jahrhunderts ins Land kommen. Die Gebrüder Daniel und Jobst Gundlach legen 1622 eine Glashütte in Gammelin an.... Im Jahr 1659/60 errichtet Jobst Gundlach eine Glashütte in Kritzow und Müsselmow und 10 Jahre später übernimmt er die Glashütten in Groß-Welzin und Dümmerstück. Beide waren bereits 1662 vom damaligen Besitzer, Rittmeister Hans Schulze, an den Glasmacher Jürgen Wenzel verpachtet. 

 

Anmerkung: Ob dieser Jürgen Wenzel verwandt ist mit Elias Wentzel, die Glasmeister der ersten Kritzower Hütte ab 1615, ist uns nicht bekannt, aber bei der Verflechtung der Glassippen wahrscheinlich.

 

Korrektur: Mit der Angabe von Jobst Gundlach unterliegt Qyenhausen offensichtlich einem Irrtum. Alle anderen Autoren und die Familienakten nennen Hans Gundlach.

 

Zu Hans Gundlach

Zunächst sei darauf hingewiesen, dass das Glasmachergeschlecht Gundlach aus Hessen stammt.

Kunze: S. 129 ff. nennt Gundelach die „Vorzeige- Glasmacher“ überhaupt, ca. 230 Eintragungen bei Kunze ab 1406 im Glasmachersippenbuch des Werra Weser-Berglandes

Angemerkt: In diesem Glasmachersippenbuch schreiben sich alle „Gundelach“.

In Mecklenburg werden sie alle als Gundlach geführt und im brandenburgischen später auch als von Gundlach im Zusammenhang mit einer Erhebung in den Adelsstand wegen besonderer Verdienste bei der

Glasherstellung. Wendt und Gothe schreiben auch immer Gundlach, obwohl Gothe den Vertrag von 1682 mit Gundelach zitiert.

 

Was ich damit sagen will, ist, dass man die Schreibweise nicht immer so genau als Trennungsgrund nehmen darf. Sprache, Aussprache und Schreibweise waren immer in Entwicklung und (richtig) schreiben konnten nicht viele. In den Familienakten der von Gundlach des LHA (Nr. 388 AZ: 11.3-2/1) findet sich eine umfangreiche Zusammenstellung der gundlachschen Sippe in Mecklenburg, vorrangig recherchiert von einem Herrn Heinemann aus der Verwaltung in den 30-ger Jahren, wohl auch im Zusammenhang mit

Ariernachweisen. Darauf deuten auch verschiedene Anfragen hin. Eine dieser Anfragen hatte alle 3 Schreibweisen nachgefragt und in der Antwort wurde sich dann auf eine Trauurkunde von 1701 für Cornelius Nicolaus und Catharina Magdalena Gundlach auf der Toddiner Hütte berufen. Ich habe hier mal Herkunft und Nachkommen von Hans Gundlach (Kritzower Hütte 1662 auf 10 Jahre) dargestellt. Darin wird auch noch einmal anschaulich, wie die Glassippen ineinander und miteinander (hier Kunckel, Seitz und Gundlach verflochten sind:

 

Vater

  • Jost Gundlach Glashüttenmeister in Gammelin, geb. ca. 1588, gest. nach 1641

Mutter

  • Magdalena Kunckel, Tochter von Georg Kunckel; Glasmeister in Holstein; und Frau Katharina Goßken

Hans Gundlach

  • geb. ca. 1630, gest. ca. 1700
  • verh. mit Agnes Seitz (geb. 1646/47; gest. 01.12.1704) auf Glashütte Crembs

 

Kinder

  • Hans Diedrich: geb. ca. 1670; gest. ??; 11.11.1696 verh. in Crembs mit Anna Elisabeth Gundlach, Tochter von Johann Gundlach
  • Jochim (in den Akten ohne a) Hinrich: geb. 1675; gest. ??; verh. am 27.10. 1706 in Crembs mit Sophie Pommer (geb. ca. 1680, gest. 20.01. 1714 in Crembs 

 

 

Oeynhausen schreibt zu dem dritten Glasmeister auf Kritzow (S. 296): „Außer den beiden vorgenannten Familien (Seitz und Gundlach d. A.) erscheinen die Kauffeldts als ein bedeutendes Glasmachergeschlecht, treten mit jenen gleichzeitig auf, sie stammen aus Hamburg und aus Holstein.  Heinrich übernimmt 1674 von Gottfried Crivitz die Gottesgaber Hütte auf 12 Jahre und 8 Jahre später auch diejenige in Rosenhagen. Er soll 1684 auch die Kritzower übernehmen, wird hiervon aber einstweilen abgehalten, weil Herzog Christian Louis ihn zur Anlegung einer Hütte in Raben Steinfeld veranlasst, dabei verspricht der Herzog, keine andere Hütte zu genehmigen, solange Kauffeldt die Raben Steinfelder Hütte betreibt, und wir werden sehen, wie der

Glasmeister dieses Versprechen auszunutzen weiß; noch 1692 hat er diese Hütte. In Kritzow aber behält der Besitzer den Kauffeldts allerdings das Hüttenrecht auf, und in der Tat befindet sich die dortige Hütte einige Jahre darauf in ihren Händen...“

 

Jetzt bliebe noch etwas zu den Glasmeistern der 4. Hütte zu sagen, das wird dann aber Volker Jennerjahn separat mit seinen Ausführungen zur Familie Müller und den Kritzower Hütten machen. Für Nichteingeweihte darf ich schon mal vorwegnehmen: Volker Jennerjahn hat nicht nur nach 1990 längere Zeit in Mecklenburg gelebt und gearbeitet. Er ist auch ein angeheirateter Nachfahre der Glasmacherfamilie Müller.

 

4. Waldglas: Kunst oder Handwerk oder Industrie?

 

Eingangs hatte ich Oynhausen schon mit den Begriffen Glasfabrikation, Fabriken und Glasindustrie zitiert.

Er umgeht aber den Begriff Glasfabrik, gebraucht andererseits aber auch Begriffe wie Glashüttenbetrieb, Hütten- oder Glasmeister. Im Zusammenhang mit anderen Professionen in größeren Hütten (siehe S. 274.- z.B. Schuster oder Schneider) benutzte er den Begriff Handwerker. Das aber nicht um Zusammenhang mit der direkten Glasherstellung.  Auf S. 284 f. verweist Oeyhnausen auf folgenden Zusammenhang:

 

 „Wenn ihre Berufsbezeichnung auch Glasmeister lautet, so werden sie doch auch Kauf- und Handelsherr genannt, der gnädige Landesherr, welcher dieser Industrie sehr wohl will, und dem sie manche Domäne abpachten, verleiht ihnen Würden und Titel, macht sie zu Vorständen seiner Ämter. Oeynhausen setzt also den manufakturbasierten Frühkapitalismus mit Industrie gleich und nimmt vor allem die umfangreiche Handelstätigkeit als Basis, um die Waldglasproduktion als Industrie zu bezeichnen. 

 

Oeynhausen unterlegt und begründet diese Wortwahl an keiner Stelle seines Artikels.

 

Ich denke, da schießt er als Autor, der gerade die hohe Blüte der  kapitalistischen Massenproduktion um die Jahrhundertwende von 19. zum 20. Jahrhundert in Deutschland erlebt, wohl etwas über das Ziel hinaus.

 

Interessant ist aber auch, dass Renate Dolz die den Übergang zur Steinkohlenfeuerung in gegen Ende des 17. Jahrhunderts und die damit einhergehende Sesshaftigkeit der Glasmacher in Zusammenhang mit dem

Begriff Glasindustrie bringt.

 

Das trifft den Kern des Übergangs zur industriellen Glasherstellung schon eher, zumal dann auch das ganze Jahr über Glas produziert werden konnte und nicht nur wie in den mittelalterlichen Glashütten üblich von Ostern bis zum St. Martinstag (11. November).

 

Da die Steinkohlenfeuerung im 17. und wohl auch in der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts in Mecklenburg keine Rolle spielte, kann auch unter diesem Gesichtspunkt hier meiner Ansicht nach nicht von einer Glasindustrie

gesprochen werden.

 

C. J. Stahl (S. 17), den wir eingangs schon zitiert hatten, fasste das folgendermaßen zusammen: „...da stand im Mittelalter in teilweise kaum zugänglichen Wäldern neben den qualmenden Kohlemeilern die Glashütte.

Es ist also eigentlich unrichtig, wenn man von der frühen Glasbereitung als Industrie sprach: Die richtige Bezeichnung träfe vielmehr das Wort „Glasmacherei“, und bis hinein in unsere Neuzeit, waren es sogenannte

Glasmacher, die eine Glashütte betrieben.

 

Die Industrie (lat. industria: Betriebsamkeit, Fleiß) bezeichnet den Teil der Wirtschaft, der gekennzeichnet ist durch die Produktion und Weiterverarbeitung von materiellen Gütern oder Waren in Fabriken und

Anlagen, verbunden mit einem hohen Grad an Mechanisierung und Automatisierung – im Gegensatz zur handwerklichen Produktionsform.

 

Was haben die Glasmacher im Mecklenburg produziert???

 

Einige Zitate dazu, die ich zunächst mal nicht interpretieren will, mit denen ich sie aber in eine ganz bestimmte Richtung lenken will: Oeynhausen S. 284:

 

„Als Jakob Kaspar Müller ums Jahr 1717 Glashütten in der Lewitz, Gammelin, Herren- Steinfeld hat, muß er in die herzogliche Hofaphotheke (zu den Zwecken der Alchemie) wöchentlich 350 Retorten und 5 Ballons liefern, wenn aber in 14 Tagen 70 Ballons verlangt werden, so brauchen nur 200 große Retorten

geliefert zu werden. 

 

Gothe - 

Hergestellt wurde ein volkstümliches und handwerklich bedeutsames, jedoch

nur zum Gebrauch bestimmtes Glas. Und bereits nach 1750 nahm die Anzahl der Hütten wieder ab, wohl im wesentlichen durch den Rückgang des ursprünglichen Holzreichtums bedingt. Über die grundsätzlichen

Zusammenhänge hinaus dürften sich weitere Erkenntnisse aus der archivalischen Aufarbeitung der Geschichte langjähriger Hüttenstandorte unter Einbeziehung von Bodenfunden ergeben. In dieser Weise wurde der Hüttenkomplex Kritzow/ Müsselmow im oberen Warnowland genauer untersucht. 

Ich erinnere: Er nennt es auch profane Glasherstellung.

 

Wendt S. 30- 

Die Glasmacherei in Mecklenburg beschränkte sich auf die Erzeugung einfachen Glases, d.h. auf grünes oder dunkelbraunes bis Schwarzes Hohloder Bouteillenglas und auf Fensterglas. Ersteres wurde in verschiedenen

Formen als Hafen, Milchsatte, Trinkglas, vorrats- und Apothekergefäß, Tintenfass u.a. hergestellt. Sogar Nachtgeschirre wurden aus Glas produziert (Goddiner Glashütte) 1736/37). Eine Spezialisierung auf ein einzelnes Glaserzeugnis war nicht üblich, weil damit eine Glashütte ökonomisch nicht gehalten werden konnte; auch der Absatz über Kaufleute machte ein breiteres Warensortiment unumgänglich.

 

Ein Einfluß von Kaufleuten auf die Ausführung von Hüttenerzeugnissen lässt sich z.B. nachweisen bei den Hütten Dobbin 1715, Pohnstorf 1726, Lütgendorf 1733 und Boek 1768. Neben dem Fensterglas, das in größeren Mengen von jeder Hütte hergestellt wurde- die erste Angabe hierüber stammt von der

Kritzower Glashütte 1615- wurden in größerem Umfang Trink- und Weingläser hergestellt, wozu zahlreiche Gläser anderer Art kamen. 

 

Gothe-

Wie die Bodenfunde zeigen, wurden vornehmlich dunkelgrüne Bouteillen und Flaschen unterschiedlicher Größe hergestellt. Die Halsstücke der Bouteillen, meist ohne Zubinderand, erhielten eine Innenriefelung. Für die Fritte fanden, wie ein Ausgußfragment zeigt, im Querschnitt runde, weit ausladende Gefäße

Verwendung: Bodendurchmesser 13,5 cm, Boden- Wandwinkel 120°. Das eingesetzte Material wurde nur grob zerkleinert. Die technische Bedeutung eines siebartigen Kunststein - Bruchstückes konnte vorerst nicht geklärt werden.

 

Warum diese Aufzählung:

Sie macht deutlich, dass Waldglasherstellung in Mecklenburg und auch in Kritzow Fleißarbeit, Handwerk und durchaus Massenherstellung wahrschlichtes Gebrauchglas, was sich gut verkaufen ließ. Bekannt ist ja, dass ein guter Glasbläser durchaus in der Lage war, bis zu 300 Behälter am Tag herzustellen. Das wird wohl ein wichtiger Grund gewesen sein, weshalb das Mecklenburger Glas in Vergessenheit geraten ist. Wer nteressiert sich für altes, profanes, hässliches Glas? Im Vergleich zu geschliffenem und verziertem Glas, wie es

z. B. die preußischen oder sächsischen Monarchien herstellen ließen, kaum jemand. Es gibt aber auch Hinweise auf Anfänge solcher Kunstglasherstellung in Kritzow.

 

Das Bild von Rembrandt mit Sakiakennen wohl alle und ich möchte ihren Blick auf das Trinkglas lenken. Das ist schon wertvolles, verziertes Tafelglas. Dieses Achtkantglas ist auch in Kritzow produziert worden. Moths und Braasch hatten dazu in ihrer Schrift auf Fundstücke in Müsselmow verwiesen und gleiche Fundstücke haben wir auf dem Hüttenstandort IV in Kritzow gefunden. Sie können sie im Museum in der mittleren Vitrine sehen. Insofern wäre es schon interessant, diesen Hüttenstandort systematisch archäologisch aufzuarbeiten,

u.a. um auch die ganze Produktionspalette darstellen zu können, die wahrscheinlich mehr war als nur profanes Gebrauchsglas.

 

Ich habe sie über 1 Stunde gequält und weiß wie anstrengend das manchmal ist.

 

 

Wenn ich Ihnen ein bisschen was Neues oder Interessantes über das Glaszentrum Kritzow vermitteln konnte, würde mich das freuen, Wenn ich etwas erzählt habe, was sie so nicht teilen, dann teilen Sie uns das

jetzt mit. Und wenn dieses und Jenes historisch nicht ganz so exakt war, sehen sie es uns nach: Ich habe vor fast vierzig Jahren mal Geschichte studiert, nicht aber Archäologie und ansonsten sind wir alle nur interessierte Laien. Ich möchte Sie mit einem Brauch aus den Waldglashütten verabschieden, wie er in den Gundlachschen Familienakten zu lesen ist:

Dort trank man zusammen das Dingelbier und besiegelte damit die weitere Zusammenarbeit für ein Jahr.

Ich lade sie also ein, mit uns heute Abend noch dieses oder jenes Dingelbier zu trinken und dabei weiter zu diskutieren. Und wir freuen uns dann schon mit ihnen auf die 3. Langen Brützer Glastage.

 

Verwendete Literatur:

- von Oeynhausen, Ullrich Graf: Glashütten in Mecklenburg. Aus:

Jahrbücher des Vereins für mecklenburgische Geschichte und

Altertumskunde, Band 70/1905, S. 267 – 312.

 

- Dolz, Renate: Glas von den Anfängen bis zur Glaskunst der 50-ger Jahre 1965

- Gothe, Dr. Johannes: Zur Mecklenburgischen Glaserzeugung

- Die Hütten Kritzow und Müsselmow im 17. und 18. Jahrhundert, Mecklenburger Jahrbücher 1996, S. 213 ff

- Moths, Herbert und Reinhard Braasch: Die Waldglasfunde vom Hüttenplatz Müsselmow

- Glasarbeiten der Meisterklasse aus Mecklenburg,Mitteilungen der NGM, 3. Jhg., Heft 1 vom 1. Juni 2003.

- Stahl, C.J.: „Vom Sandkorn zum Kristallgefäß“ 1926

- Nestle, Karl Theodor und Paul Emer: „Geschichte der Weinflasche“ (1977)